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Die „Quintus Tricensimanus“ auf der Xantener Südsee. Foto: APX/Olaf Ostermann
24. Juni 2024 · Sabrina Peters · Xanten

Römisches Patrouillenboot sticht in See

Die „Quintus Tricensimanus“ wurde in der Xantener Südsee zu Wasser gelassen und am Montag feierlich getauft

XANTEN. Zwischen Tret- und Motorbooten sowie Stand-Up-Paddlern fuhr am vergangenen Montag ein ganz besonderes Boot auf der Xantener Südsee herum: Der LVR-Archäologische Park Xanten (APX) hatte nur wenige Tage zuvor den originalgetreuen Nachbau eines römischen Patrouillenbootes zu Wasser gelassen, um es am vergangenen Montag auf der Xantener Südsee von Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, sowie Ulrike Lubek, Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), feierlich taufen zu lassen. Danach stach das Patrouillenboot zu einer Testfahrt in See.

Die „Quintus Tricensimanus“, wie das römische Patrouillenschiff nun offiziell heißt, ist das fünfte Schiff aus der Festung Tricensimae bei Xanten. Bereits seit 2014 baut der APX in seiner Inklusiven Werft römische Schiffe originalgetreu nach. Auf die Taufe und Testfahrt der Lastenfähre Nehalennia, der Fischerboote Philemon und Baucis und des Lastenseglers Minerva Tritonia in den Jahren 2015 bis 2018 folgte jetzt Taufe und erste Fahrt des fünften Bootes aus der APX-Flotte.

Bei der frisch getauften Quintus handelt es sich um ein römisches Patrouillenboot vom Typ Lusorie. Das Schiff wurde auf Grundlage von Mainzer Wrackfunden rekonstruiert, die belegen, dass diese naves lusoriae neben Ruderbänken auch über Mast und Segel verfügten. Als schnelle und wendige Militärboote patrouillierten sie im 4. Jahrhundert nach Christus in großer Anzahl auf Rhein und Donau. „Es war ein Kriegsschiff“, betonte APX-Leiter Martin Müller am Rande der Taufe.

Die Quintus Tricensimanus entstand fast ausschließlich in Handarbeit. Sie hat eine Länge von knapp 18 Metern, eine Breite von maximal 2,7 Metern und ein Gewicht von ungefähr vier Tonnen. Rund 3.000 Nägel halten die Bordplanken, Spanten und Ruderbänke – insgesamt 30 Kubikmeter Holz – zusammen.

Doch nicht nur beim Schiffsbau wurde auf eine originalgetreue Rekonstruktion Wert gelegt: Auch die prunkvoll bemalten Schilde der Bordmannschaft mit ihren bunt leuchtenden Seewesen sind das Ergebnis ausgiebiger Forschungen und Experimente. Sie wurden in Handarbeit als Letztes angefertigt.

Insgesamt drei Jahre arbeitete Schiffsbaumeister Kees Sars mit dem Team der Inklusiven Holzwerkstatt am Nachbau des spätantiken Patrouillenboots und seinen prachtvollen Schilden. „Die Rekonstruktion ist im Prinzip in drei Teile unterteilt: Erstens der archäologischen Untersuchungen, zweitens dem Bau und drittens dem Fahren, Beobachten und Aufschreiben“, sagte Sars.

Denn mit der Fertigstellung des Patrouillenbootes sei die Arbeit noch nicht zu Ende. Jetzt sei die Zeit zu sehen, wie sich das Schiff im Wasser verhalte und welche Rückschlüsse Forscher daraus ziehen könnten.

Unter Anleitung zweier Reenactment-Gruppen konnten die Anwesenden nach der Taufe selbst zum Ruder greifen und auf Patrouillenfahrt am nassen Limes gehen. Der historische Zusammenhang sei perfekt: Denn genau dort, wo heute die Xantener Südsee liegt, verlief der Rhein und somit auch die römische Grenze. Damit patrouillierte erstmals wieder dort, wo vor 1.600 Jahren die Flottenverbände das römische Xanten schützten, ein spätrömisches Militärschiff.

Die nachgebaute Flotte aus der Inklusiven Werft im LVR-Archäologischen Park Xanten zeugt von den vielfältigen archäologisch belegbaren Schiffstypen, die vor 2.000 Jahren den Rhein befuhren. Lastkähne brachten Waren aus dem ganzen römischen Imperium an den Niederrhein, während mächtige Militärschiffe die römische Herrschaft sicherten. Über mehr als 450 Jahre bildete der Rhein zwischen Bad Hönningen-Rheinbrohl in Rheinland-Pfalz und Katwijk aan Zee in den Niederlanden eine Außengrenze des Römischen Reiches und dem angrenzenden „Barbaricum“. 2021 wurde diese nasse Grenze, die heute als Niedergermanischer Limes bekannt ist, vom UNESCO-Welterbekomitee als „Grenzen des Römischen Reichs - Niedergermanischer Limes“ ins Erbe der Menschheit aufgenommen.

„Die Aufnahme als UNESCO-Weltkulturerbe war ein grenzüberschreitendes Projekt zwischen der Niederlande und Nordrhein-Westfalen sowie Rheinland-Pfalz, das wir erfolgreich vollendet haben. Ein Weltkulturerbe – in NRW haben wir jetzt sechs davon – ist aber auch Verpflichtung und Auftrag“, sagte NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach. Die originalgetreue Nachbildung des römischen Patrouillenbootes sei aber genau so ein Beispiel dafür, wie der APX dieser Verpflichtung nachkomme und den Bürgern das damalige Leben der Römer näherbringe. „Mit der Restaurierung des Patrouillenboots ist der APX um einen kulturhistorischen Schatz reicher und lässt die Wissenschaft das Leben am Niedergermanischen Limes für uns alle erlebbar machen“, betonte Scharrenbach. Dieses kulturelle Erbe gelte es für kommende Generationen zu bewahren und im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.

Ulrike Lubek, Direktorin des LVR, hob bei der Taufe nochmal hervor, dass es sich bei dem Nachbau auch um ein wichtiges Inklusionsprojekt handele: „Wir haben hier sozusagen ein Best-Practice-Beispiel für Inklusion.“ Heutzutage gelte Berufstätigkeit als entscheidende Voraussetzung für soziale Anerkennung und ein selbstbestimmtes Leben. Das Ziel bestehe darin, allen einen gleichberechtigten Einstieg in die Arbeitswelt zu eröffnen und auch Menschen mit Beeinträchtigungen in ihren individuellen Stärken zu fördern. „Das in enger Kooperation mit dem LVR-Inklusionsamt begonnene römische Schiffsbauprojekt des LVR-Archäologischen Parks Xanten ist ein Vorreiter auf diesem Gebiet, das im Zusammenwirken mit verschiedenen Förderschulen des LVR das vielschichtige Aufgabenprofil des Landschaftsverbands widerspiegelt. In diesem Projekt wurde das enorme Potential, das in der interdisziplinären Arbeit steckt, in vorbildlicher Weise genutzt“, sagte Lubek.

Bis Ende der Woche soll das römische Patrouillenschiff noch in der Xantener Südsee verbleiben und ausgiebig getestet werden. Danach wird es wieder zurück zum Archäologischen Park Xanten transportiert, wo es aber von allen Interessierten in der Holzwerkstatt besucht und angesehen werden kann.

Sabrina Peters

Die „Quintus Tricensimanus“ auf der Xantener Südsee. Foto: APX/Olaf Ostermann

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