Sport am liebsten draußen

KLEVE. Stühlerücken am Klever Landgericht. Der Vorsitzende Richter Winfried van der Grinten hat Kleve Richtung Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf verlassen. Die Folge: Die 1. Strafkammer am Landgericht Kleve brauchte einen neuen Vorsitzenden Richter.

Et voilà: Alexander Lembke. Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung. Glückwunsch? Er sei nicht befördert worden, sagt der Neue. Lembke, der zusammen mit Judith Gottwald Pressesprecher des Landgerichts ist, freut sich natürlich trotzdem. „In der Berufungskammer, die ich bisher geleitet habe, ist man – zumindest als Profirichter – Einzelkämpfer.“ Klartext: Keine Richterkollegen, aber zwei Schöffen.

Das ändert sich nun. In der Regel ist Lembkes neue Strafkammer mit mindestens einem weiteren Richterkollegen und zwei Schöffen besetzt. „Es gibt allerdings Verfahren, bei denen eine Kammerbesetzung mit drei hauptamtlichen Richtern zwingend vorgeschrieben ist“, so Lembke.

Dazu gehören beispielsweise sogenannte Sicherungsverfahren, bei denen es um die Unterbringung eines Menschen in einem psychiatrischen Krankenhaus geht. Im Fachjargon klingt das wie folgt: „Das Sicherungsverfahren ist eine besondere Verfahrensart innerhalb des Strafrechts, die der selbstständigen Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung dient.“

Alexander Lembke ist Jurist aus Überzeugung – einer, der voll in seinem Beruf aufgeht und trotzdem großen Wert auf Ausgleich im Privaten legt. Kein Wunder – immerhin warten nach Dienstschluss die Ehefrau, vier Kinder, zwei Hunde und zwei Pferde sowie ein Shetland-Pony (und demnächst vielleicht auch noch ein Esel) auf den 41-Jährigen, der in Bonn studierte und eigentlich Rechtsanwalt werden wollte. Dass es am Ende die Richtertätigkeit wurde, „hat mit dem Richter zu tun, den ich während meines Referendariats in Duisburg hatte“, sagt Lembke. Der sagte irgendwann zum jungen Referendar: „Ich glaube, Richter ist das Richtige für Sie.“

2009 kam Lembke nach Kleve, war zunächst in der 3. Zivilkammer und wechselte später zu den Strafsachen. Vorsitzender Richter einer Strafkammer mit 42 – das ist nicht unbedingt die Regel. Vorsitzender Richter in einem Strafprozess – das bedeutet Verantwortung zu tragen. Lembke: „Das gilt für die Täter ebenso wie für die Opfer.“

Zehn Prozent der Stelle entfallen auf Lembkes Tätigkeit als Pressesprecher des Landgerichts – die verbleibenden 90 Prozent werden von der Richtertätigkeit ausgefüllt. Wofür ist die 1. Strafkammer (die Zahl hat übrigens keinerlei hierarchische Funktion) eigentlich zuständig? Fasst man es in Strafrahmenzahlen, dann sind Lembke und seine drei Richterkollegen in der Kammer für alles oberhalb von vier Jahren und bis zu 15 Jahren zuständig. „Alles“ trifft es allerdings nicht ganz. „Für Kapitalverbrechen wie Mord ist bei uns die 4. Strafkammer zuständig.“ Um Jugendsachen kümmert sich die 7. Strafkammer, für Wirtschaftssachen ist die 9. Strafkammer zuständig.

Zurück zur Verantwortung: Wer Strafen von bis zu 15 Jahren verhängen kann, muss sich der damit einhergehenden Verantwortung bewusst sein und bereit sein, sich ihr zu stellen. Für Lembke kein Problem. Aufgegeben hat er übrigens seine Tätigkeit als Dozent an der Hochschule Rhein-Waal. Das gibt das Zeitkontingent nicht mehr her.

Neben der Familie und den Tieren spielt auch der Sport in Lembkes Leben eine wichtige Rolle. Fitnessstudio? Fehlanzeige. Sport findet draußen statt. Man kann’s nachvollziehen – spielt sich doch Lembkes Richterleben überwiegend in geschlossenen Räumen statt. Auf dem Programm stehen vor allem Joggen, Schwimmen und Radfahren. Manchmal sieht man Lembke mit Kinderwagen und Hund joggen. Der Hund – ein Tierheimhund. Ein Auge fehlt, dafür Charakter ohne Ende. Es entsteht der Eindruck, dass da einer nicht zwischen Aktendeckeln weltfremd geworden, sondern lebensnah unterwegs ist. Dafür sorgt auch die Familie, denn nach Dienstschluss ist Lembke Ehemann, Papa und – in Sachen Pferde – Stallbursche. Demnächst geht‘s in den Sommerurlaub: Frau, vier Kinder, zwei Hunde, Na denn: gute Erholung.