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Sein Teddy war für Dietmar Schmitz der einzige Seelentrost in schweren Kindertagen. Foto: privat
15. April 2024 · Kerstin Kahrl · Kevelaer

Ein Verschickungskind spricht über seine Erlebnisse

Dietmar Schmitz liest aus seinem Buch „Abgegeben in fremde Hände - Warum gerade ich?“

WEEZE. Dietmar Schmitz kommt am Montag, 13. Mai, 19 Uhr, zu einer Buch-Lesung zur Evangelischen Kirchengemeinde Weeze, Wasserstr. 55, in Weeze. An diesem Abend liest er aus seinem autobiografischen Buch „Abgegeben in fremde Hände – Warum gerade ich? Ein Verschickungskind alleine unterwegs“- Dietmar Schmitz ist sich heute sicher, als Kind Teil eines medizinischen Experiments gewesen zu sein. Als er acht Jahre alt war, wurde er im November 1968 alleine in eine Kur im Allgäu geschickt. Als seine Eltern ihn nach sechs Wochen abholten, durfte er nicht gehen, sondern musste bleiben, insgesamt ein halbes Jahr lang. Der Verdacht auf Lungentuberkulose war der Grund. Jeden Tag musste der Achtjährige eine Magensonde schlucken und eine weiße Tablette nehmen. Dies musste er sechs Monate lang ertragen. Sein Teddy war in dieser schweren Zeit sein einziger Trost. Ironie des Schicksals: Erst kürzlich wurde festgestellt, dass Dietmar Schmitz nie an Tuberkulose erkrankt war. Das Kurheim im Allgäu wurde von den „Mallersdorfer Schwestern“, einem katholischen Orden, geleitet. Dort habe keine christliche Nächstenliebe geherrscht sondern nächtliche Toilettenverbote, Gewalt und Zwang zum Essen und Schlafen gegeben. Dietmar Schmitz ist bis heute wütend darüber: „Warum braucht ein achtjähriges Kind noch einen Mittagsschlaf? Während dieser Zwangsruhe durften wir keine Bücher lesen, keinen Laut von uns geben und auch nicht auf die Toilette gehen. Es ist für mich unvorstellbar, dass gläubige Menschen, die sich der Nächstenliebe widmen, Kindern so etwas antun konnten!“ Dietmar Schmitz hat sich seinen Kindheitserlebnissen gestellt und versucht, sie in einem Buch zu verarbeiten. Die Veranstaltung am 13. Mai wird von Detlef Lichtrauter, dem Vorsitzenden des Vereins „Aufarbeitung Kinderverschickungen NRW“, moderiert. Lichtrauter ist auch ein Betroffener. Als Zwölfjähriger wurde er im Jahr 1973 nach Bonn-Oberkassel „verschickt“. Wie viele andere Kinder musste er dort physische und psychische Gewalt erdulden. „Die Dankbarkeit der Betroffenen, die unsere vielfältigen Hilfsangebote annehmen, motiviert mich, die Vereins- und Projektarbeit als Vollzeitjob zu erledigen. Ich habe mich aktiv aus der Opferrolle befreit“, sagt er. Die Mission des Vereins sei: Aufarbeiten, aufdecken und öffentlich machen. „Wir wollen die Strukturen beleuchten, die Gewalt ermöglicht haben. Wir streben danach, dass Unrecht anerkannt wird und neue Formen des Gedenkens entwickelt werden. Für uns ist die Aufarbeitung ein zentraler Aspekt des modernen Kinderschutzes - ohne sie ist Prävention nicht möglich“, sagt Lichtrauter. Der Eintritt zur Buch-Lesung ist frei.Kerstin Kahrl

Sein Teddy war für Dietmar Schmitz der einzige Seelentrost in schweren Kindertagen. Foto: privat

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