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Sie sind einsatzbereit für alle Fälle: (v.l) Michael Hogrebe, Alberto Coppola, Martin Landgraf, Oberstleutnant Stefan Bremkens und Thomas Roosen, Direktor des Landesamtes für zentrale polizeiliche Dienste.Fotos (2): Bundeswehr/ Marvin Hofmann
6. Juli 2024 · Jacqueline Kurschatke · Niederrhein

„Ein Pool mit den Besten“

Polizei und Bundeswehr überwachen Luftraum über EM-Spielstätten mit neuer Flugeinsatzzentrale

NIEDERRHEIN. Die Fußballeuropameisterschaft ist in vollem Gange. Es wird ausgelassen gefeiert und die Städte sind gefüllt mit Touristen aus aller Welt. Jeder möchte ein Stück des „Sommermärchens“ abhaben. Aber: Wo viele Menschen aufeinandertreffen, lauern auch Gefahren. Der Terrorismus wird bedrohlicher und gerissener. Das gilt nicht nur für Bedrohungen am Boden, sondern auch aus der Luft. Um auf alle möglichen Szenarien vorbereitet zu sein, unterstützt das Zentrum Luftoperationen der Bundeswehr auf dem Uedemer Paulsberg, mit einer extra eingerichteten Flugeinsatzzentrale die örtlichen Behörden.

Seit 21 Jahren gibt es das Zentrum Luftoperationen bereits. Dieses ist speziell darauf ausgelegt, Terroranschläge mit zivilen Luftfahrzeugen zu verhindern, wie Michael Hogrebe, Generalmajor und stellvertretender Kommandeur des Luftoperationszentrums erklärt: „2003 wurde dieser Standort in Dienst gestellt. Das war eine Antwort auf die Ereignisse vom 11. September 2001 in New York. Dort wurden zivile Luftfahrzeuge erstmalig als Waffe genutzt. Man musste sich fragen, wie man damit umgeht.“ Seitdem überwacht das zugehörige „Nationale Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum“ bei Ereignissen mit besonderer Sicherheitslage genau diesen Bereich. Dazu zählen zum Beispiel Staatsbesuche des Papstes oder von Regierungschefs, Treffen wie die Münchener Sicherheitskonferenz oder der G7-Gipfel sowie Zeremonien an Feiertagen wie dem Tag der Deutschen Einheit.

Besondere Anforderungen

„Bisher waren die Ereignisse immer auf einen Ort und eine kurze Zeit beschränkt. Das war vom Luftoperationszentrum gut koordinierbar. Die Fußball-Europameisterschaft stellt uns vor neue Herausforderungen. Es gibt 51 Spiele in sieben Bundesländern, innerhalb von vier Wochen. Für uns bedeutet das sozusagen: 51 Mal Tag der Deutschen Einheit“, berichtet Martin Landgraf, leitender Polizeidirektor der Servicestelle Luftraumschutz sowie der Hubschrauberstaffel Baden-Württemberg. Um diesem extremen Mehraufwand gerecht zu werden, wurde kurz vor Turnierstart die Flugeinsatzzentrale eingerichtet. Hier arbeiten Beamte der Polizei aller sieben Bundesländer, in denen EM-Spiele stattfinden, mit Beamten des Bundesamtes für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz, Luftwaffenkontrolleuren der Bundeswehr sowie der Deutschen Luftsicherung zusammen.

„Hier geht es um Fachwissen. Es gibt bundesweit nicht viele Experten, die für diese besonderen Anforderungen ausgebildet sind. Deshalb haben wir hier einen Pool mit den Besten angelegt“, erklärt Polizeidirektor Alberto Coppola, Leiter der Polizeifliegerstaffel Nordrhein-Westfalen. Zusätzlich habe man am Standort Uedem nicht nur jahrelange Erfahrung in der Koordinierung der Luftwaffe, sondern sei auch schnell im Austausch mit den Behörden der angrenzen Länder, ergänzt Hogrebe.

Die etwa 70 in der Zentrale tätigen Beamten sind Spezialisten auf den Gebieten Ermittlung, Luftfahrtwissen, Technik oder Sicherheit. Das Team wechselt regelmäßig, um eine höchstmögliche Aufmerksamkeit zu gewährleisten. Sie beobachten und analysieren Aufnahmen von Überwachungskameras an der jeweiligen Spielstätte, Radarbilder, die den Luftraum über dem Spielort darstellen, und stehen in ständigem Kontakt zu Beamten der Deutschen Flugsicherung in den Towern und Zentralen der Flughäfen. Hierbei sei eine Unterscheidung besonders wichtig: „Beschränkungen gelten nur für bemannte Kleinflugzeuge, die nach Sicht fliegen, genauso wie für Drohnen oder Modellflugzeuge. Diese Beschränkungen hängen von der Sicherheitslage ab, die vorher geprüft wird. So lassen sich verschiedene Verbotszonen verhängen“, erklärt Coppola. Und Passagierflugzeuge? Die werden als unkritisch eingestuft: „Normale Verkehrsflugzeuge sind unkritisch. Sie starten oftmals bereits in einer Flugverbotszone, bewegen sich gleichzeitig aber auch schnell über sie hinweg. Zudem werden sie technisch gesteuert und von der deutschen Luftsicherung koordiniert, die eng mit uns zusammenarbeitet“, erläutert Coppola weiter.

Die Gefährdungsstufen

Bereits ab drei Stunden vor Anpfiff überprüft die Zentrale die Situation vor Ort. Ist ein Drohnenverbot ausreichend? Braucht man das Flugzeugverbot? Wenn ja, in welchem Sicherheitsradius? Auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. In der Gefährdungsstufe eins gilt ein Gebiet von zwei nautischen Meilen (eine nautische Meile entsprechen etwa 1,85201 Kilometern) um den Spielort als Verbotszone. Diese gilt nur für unbemannte Luftfahrtsysteme. Bei der Gefährdungsstufe zwei wird der Radius auf drei nautische Meilen erweitert. Weiterführend gibt es in einem Umkreis zwischen vier bis zwölf Meilen um den Spielort eine sogenannte Transponderpflicht. Alle Fluggeräte, die sich in diesem Gebiet befinden müssen von den Behörden per Funk erreichbar sein. Die Gefährdungszone drei hat ein Flugverbot von 30 nautischen Meilen um den Spielort zur Konsequenz. Hier darf sich kein Flugobjekt aufhalten.

Und wenn doch? Dann droht den Fliegern eine Strafanzeige und das kann teuer werden. Eine wirkliche Gefahr gehe von den meisten Flugverkehrssündern aber nicht aus: „Wenn sich Flugzeuge in einem Verbotsbereich befinden, sind es meist Piloten, die schlecht auf ihren Flug vorbereitet sind. Die Verbotszonen werden offen kommuniziert und regelmäßig aktualisiert. Manchmal können auch Navigationsfehler dahinterstecken. Trotzdem kann es keine Ausnahmen geben. Die Einsatzkräfte müssen immer davon ausgehen, dass ein Luftfahrzeug auch als potenzielle Waffe eingesetzt werden könnte.“ Während der gesamten Zeit der Überwachung befinden sich Hubschrauber und Kleinflugzeuge der Polizei in der Luft, um in einem Einsatzfall direkt bereit zu sein. Dringt ein Flugkörper in eine Verbotszone ein, kann dieser dann unmittelbar angeflogen und aus dem Bereich eskortiert werden. Für die Kommunikation sorgt die Angabe einer Funksequenz an der Seite des Polizeiflugmittels. Und wenn der Eindringling nicht reagiert oder sich nicht kooperativ zeigt? „Es gibt einen Stufenplan mit Maßnahmen, die in solchen Fällen greifen. Wir sind auf allemöglichen Szenarien vorbereitet“, betont Landgraf.

Die Kooperation der Institute klappe immer besser, genauso wie der gegenseitige Informationsaustausch. Es sei ein gutes Zusammenspiel, bei dem sich die einzelnen Behörden untereinander gut ergänzen würden. In diesem Zusammenhang spricht Polizeidirektor Landgraf ein abschließendes Lob aus. „Wir sind dankbar für die Kooperation mit der Luftwaffe. Die Polizei allein könnte die nötigen Anforderungen nicht erfüllen. Hier sind Spezialisten, die sich auskennen und auf die wir angewiesen sind.“

Jacqueline Kurschatke
Experten aus sieben Bundesländern überwachen die EM-Spiele.

Experten aus sieben Bundesländern überwachen die EM-Spiele. Foto: Bundeswehr/Marvin Hofmann

Sie sind einsatzbereit für alle Fälle: (v.l) Michael Hogrebe, Alberto Coppola, Martin Landgraf, Oberstleutnant Stefan Bremkens und Thomas Roosen, Direktor des Landesamtes für zentrale polizeiliche Dienste. Fotos (2): Bundeswehr/ Marvin Hofmann

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