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Bürgermeister Yevhenii Velychko und Sven Kaiser (beide Mitte) unterzeichneten die Absichtserklärung im Beisein der ukrainischen Delegation und des Partnerschaftsvereins. NN-Fotos: Thomas Langer
19. Juni 2024 · Thomas Langer · Geldern

Der Beginn einer besonderen Freundschaft

Geldern und das ukrainische Wosnessensk besiegeln Städtepartnerschaft

GELDERN. Der Besuch einer neunköpfigen Delegation aus dem ukrainischen Wosnessensk in Geldern markierte vergangene Woche einen Meilenstein in der Geschichte beider Städte: Die Bürgermeister Yevhenii Velychko und Sven Kaiser unterzeichneten vergangenen Freitag die Absichtserklärung zur Gründung einer Solidaritätspartnerschaft. Es war eine ereignisreiche Woche und zwar für beide Seiten: Für die neunköpfige Delegation aus der Ukraine, bestehend aus Yevhenii Velychko, Andrii Makoied, Serhii Rohozhnikov, Olha Lohvinenko, Mariia Fyrulova, Ivan Chornomorets, Nina Kutsovska, Kateryna Kitsa, Vadym Vieriemienienko und Besik Vardiashvili, hatte nach der Anreise am Dienstag ein umfangreiches, vom Städtepartnerschaftsverein „Städtefreundschaft Geldern-Wosnessensk“ und der Stadtverwaltung Geldern entworfenes Programm begonnen. Dieses führte sie unter anderem in verschiedene Betriebe sowie in den Landtag nach Düsseldorf.

Aber es blieb auch Zeit für gemütlichere Momente. Die Sprachbarriere stellte dabei gar kein so großes Problem dar: Dafür sorgten einerseits Nelly Rozhyna und Viktoria Rozhyna, die in der Woche als Dolmetscherinnen im Einsatz waren, andererseits die moderne Technik: „Man hat einfach etwas ins Smartphone gesprochen und seinem Gegenüber gezeigt. Das funktioniert viel besser, als man denkt!“, erzählte Sven Kaiser. Man habe zusammen viel gelacht, der persönliche Austausch sei aber auch „sehr bewegend“ gewesen.

Schwierige Lage

Das hat vor allem mit der aktuellen Situation in Wosnessensk zu tun, das rund 180 Kilometer von den Frontlinien entfernt liegt. So erzählte Yevhenii Velychko von den vielen Flüchtlingen aus den besetzten Gebieten, die in seiner Stadt Zuflucht gefunden hätten. Da hier auch Militär stationiert sei, sei man zudem immer wieder das Ziel von Angriffen – zuletzt einen Tag vor dem Aufbruch nach Deutschland. „Aber es ist zum Glück niemand zu Schaden gekommen“, sagte er. Etwas schwieriger gestalte sich außerdem die Energieversorgung: Es gebe zwar Generatoren, aber „das Versorgungsnetz wurde ziemlich beschädigt“, was zu Unterbrechungen in der Versorgung führe. Dennoch: Aufgegeben hat man in Wosnessensk nicht, sondern sich stattdessen angepasst: „Das Leben geht weiter“, sagte Velychko. Auch die Schulen hätten wieder den Betrieb aufgenommen – Schutzräume gebe es in allen Bildungseinrichtungen.

Solche Geschichten direkt von den Betroffenen zu hören, „das erdet einen“, findet Sven Kaiser. „Wenn man fragt, wie die Menschen damit umgehen, und jemand sagt, es hat sich zur Normalität entwickelt, dann ist das erschreckend.“ Man müsse sich daher bewusst machen, in welcher guten Demokratie man selbst lebe. „Und dass wir darauf stolz und dafür dankbar sein können. Es ist keine Selbstverständlichkeit.“

Startschuss im Trauzimmer

Den Höhepunkt des Besuchs markierte die Unterzeichnung der Absichtserklärung zur Gründung einer Solidaritätspartnerschaft am Freitag – passenderweise im Trauzimmer der Villa von Eerde, schließlich soll es der Beginn einer langen, besonderen Beziehung sein. „Es ist ein historischer Moment für uns“, sagte Yevhenii Velychko und bedankte sich bei der neuen Partnerstadt: „Wir sind sehr glücklich darüber, dass die Stadt Geldern mit uns diesen Vertrag unterschreibt.“ Eine Sichtweise, die Sven Kaiser im Namen Gelderns teilte. In diesem Sinne dankte Kaiser auch der Vorarbeit des Städtepartnerschaftsvereins, dessen Mitglieder die Partnerschaft überhaupt erst ermöglicht hätten. Der direkte Draht nach Wosnessensk war über Kerstin Keens, Kulturbüro-Mitarbeiterin und Schriftführerin des Vereins, entstanden, die Kontakt zu in Deutschland arbeitenden Ukrainern aus der Stadt hatte. „Darauf haben wir aufgebaut“, erklärte der Vereinsvorsitzende Roman Straub. Grünes Licht für die Partnerschaft hatte der Stadtrat im vergangenen März gegeben.

Rund drei Monate später herrscht nun die Vorfreude auf das, was kommt. Nach der Unterzeichnung eröffneten beide Seiten Einblicke in ihre Hoffnungen und Wünsche im Rahmen der neu geknüpften Freundschaft: So habe man laut Velychko auf ukrainischer Seite in verschiedenen Bereichen eine Reihe von Projekten im Blick, auch wenn die Finanzierung nicht einfach sei. Als Beispiel nennt er die Pläne, Veteranen wieder mit Arbeit zu versorgen und Flüchtlinge unterzubringen. Auch an der Gewährleistung der Energieversorgung und der eigenen Autarkie arbeite man bereits. In diesem Sinne freue man sich auf die weitere Zusammenarbeit sowie Impulse und Know-How aus Geldern. „Durch den Austausch kommt man auf ganz neue Ideen, die man vorher nicht im Blick hatte. Das bereichert die Partnerschaft sehr“, sagte Yevhenii Velychko. Vor allem aber stellte er die Freundschaft und den kulturellen Austausch in den Mittelpunkt, um sich persönlich kennenzulernen und gemeinsam zu wachsen.

Sven Kaiser betonte seinerseits das Anliegen Gelderns, nun als erste Stadt im Kreis Kleve mit ukrainischem Partner zu zeigen, dass man eine solche Partnerschaft mit der Ukraine starten könne. „Ich glaube es ist einfach wichtig, auch in der Bevölkerung das Signal zu setzen: Wir denken an sie und kümmern uns um sie, wir sind auf ihrer Seite.“ Der Krieg dauere bereits viel zu lange und was vor Ort passiere, dürfe nicht in Vergessenheit geraten.

Ein erster Austausch

Im Anschluss an die Unterzeichnung setzte man den kulturellen Austausch direkt fort: Zuerst mit gegenseitigen Geschenken – etwa in Form heimatlicher Kunst und kulinarischer Genüsse –, danach mit der Eröffnung der Fotoausstellung „Wosnessensk - Unsere ukrainische Partnerstadt“. Diese vermittelte über das Wochenende hinweg erste Eindrücke vom Zuhause der neuen ukrainischen Freunde, berücksichtigte aber gleichzeitig die aktuellen Zustände durch den Krieg.

Tags darauf war es für die Gäste schließlich Zeit für die Heimreise. Yevhenii Velychko betonte, dass man mit vielen positiven Eindrücken und „einem guten Gefühl“ in die Heimat zurückkehren werde: „Wir alle haben uns sehr wohlgefühlt“, erklärte er. Ausdrücklich sprach Velychko dabei noch seine Dankbarkeit angesichts der Aufnahme und Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge durch ganz Deutschland aus. Er habe selbst Verwandte, die hier eine Zuflucht gefunden hätten. „Das wissen wir sehr zu schätzen.“ Überhaupt zeigte er sich bewegt angesichts der Solidarität der europäischen Staaten, Deutschlands und Gelderns, die Ukraine in dieser schweren Stunde zu unterstützen. „Das gibt uns die Kraft, weiterzukämpfen. Wir wissen, dass wir nicht allein sind. Diesen positiven Geist können wir jetzt zurück in die Heimat tragen.“

Yevhenii Velychko (l.) und Sven Kaiser bei der Unterzeichnung.

Yevhenii Velychko (l.) und Sven Kaiser bei der Unterzeichnung. Foto: Thomas Langer

Für den Vorstand des Städtepartnerschaftsvereins waren auch Rita Baxmann (l.) und Roman Straub (2.v.l.) zugegen.

Für den Vorstand des Städtepartnerschaftsvereins waren auch Rita Baxmann (l.) und Roman Straub (2.v.l.) zugegen. Foto: Thomas Langer

Die Ausstellung gab am Wochenende Einblicke in die Partnerstadt Wosnessensk.

Die Ausstellung gab am Wochenende Einblicke in die Partnerstadt Wosnessensk. Foto: Thomas Langer

Einen ersten kulturellen Austausch gab es auch in Form von gegenseitigen Geschenken.

Einen ersten kulturellen Austausch gab es auch in Form von gegenseitigen Geschenken. Foto: Thomas Langer

Bürgermeister Yevhenii Velychko und Sven Kaiser (beide Mitte) unterzeichneten die Absichtserklärung im Beisein der ukrainischen Delegation und des Partnerschaftsvereins. NN-Fotos: Thomas Langer

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