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Gisela Török (r.) und Annette Boniek (l.) begleiten die Kinder im Gruppenangebot. NN-Foto: T. Langer
2. Juli 2024 · Thomas Langer · Niederrhein

Beratungsangebot für Kinder aus Scheidungsfamilien

Die Awo bietet nach den Ferien wieder ein präventives Gruppenangebot an

KREIS WESEL. Besonders für Kinder ist die Trennung oder Scheidung der Eltern eine große Belastung. Um vorbeugend tätig zu werden, bietet die Awo-Beratungsstelle für Paare und Familien in Rheinberg seit 2005 zwei Mal im Jahr ein kreisweites Gruppenangebot für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien an. Das nächste Angebot startet nach den Sommerferien.

Auch nach all den Jahren ist es für Gisela Török und Annette Boniek alles andere als leicht: Beide haben als Betreuerinnen dieser Gruppen in dieser Zeit zahlreiche Kinder begleitet und wissen nur zu gut, wie sehr sie die Trennung der Eltern belastet. „Es stehen eine Menge großer Veränderungen an. Ein Elternteil zieht möglicherweise aus, die Kinder verlieren ihr Zuhause, ziehen an einen anderen Ort, die Alltagsabläufe fallen weg oder sie erleben, wie ihre Eltern sich streiten“, nennt Török Beispiele. So löse sich ihr Leben mitunter von heute auf morgen auf. Das könne zur Folge haben, dass sich der Nachwuchs zurückziehe oder verhaltensauffällig werde. Oft zeige sich die Veränderung auch in der Schule. Gleichwohl wissen die beiden Frauen, dass es auch für die Eltern schwer sei, in dieser stressigen Zeit ihre Kinder so zu unterstützen, wie sie es bräuchten. „Hier spielen viele Emotionen eine Rolle.“ Umso überzeugter sind die beiden von der Bedeutung ihrer eigenen Arbeit.

Zwei Altersgruppen

Das präventive Gruppenangebot der Awo richtet sich an die Altersgruppen sieben bis zehn sowie elf bis 13 Jahre: Bis zu acht Kinder treffen sich dabei jede Woche in insgesamt zwölf Gruppenstunden zu je 90 Minuten. Das Ziel dahinter: die trennungs- und scheidungsbezogenen Probleme in einer geschützten, unterstützenden Gruppe überwinden.

Nach einem ersten spielerischen Kennenlernen „tasten wir uns langsam an das Thema heran“, erläutert Boniek. Sukzessive sprechen die Kinder und ihre beiden Begleiterinnen zum Beispiel über das Thema Trennung, ihre Assoziationen dabei und ihre Gefühle oder erzählen von ihren Familien. „Manche Kinder sagen gar nichts, andere hingegen erzählen viel“, sagt Török. Trotzdem seien alle stets mit voller Aufmerksamkeit dabei, Abbrecher habe es bisher nie gegeben.

Wenn es um die persönliche Situation geht, visualisieren die Kinder diese auch anhand von Spielzeughäusern und -figuren. So vermitteln sie einander nicht nur, dass sie mit ihren Gefühlen und Problemen nicht allein sind: Sie sprechen sich auch gegenseitig Mut zu. So stellt sich zum Beispiel heraus, dass die neue Patchwork-Familie ihre Vorteile haben kann. „Wir sagen dann: Das ist alles Familie“, sagt Török.

Dargelegt wird bei den Treffen aber auch, dass alle Gefühle wichtig sind: Dann stellen die beiden Fachkräfte unter anderem vor, wie die Kinder mit etwaiger Wut umgehen und was sie tun können, um in einen anderen Zustand zu kommen. „Uns ist es wichtig, dass die Kinder lernen, dass sie selbst etwas unternehmen können, um ihre Situation zu verändern. Wir sprechen darüber, was sie beeinflussen können und was nicht.“

Dazu gehört im Umkehrschluss auch, manchmal die traurige Realität anzuerkennen: „In einer Stunde verabschieden wir uns von unerfüllbaren Wünschen.“ Der häufigste von ihnen: dass die Eltern wieder zusammenfinden.

Im Verlauf des Gruppenangebots haben die Kinder Zeit, einander und ganz allgemein Fragen zu stellen und Wünsche zu formulieren, die sie dann auf Kärtchen festhalten. Zum Inhalt gehören aber auch die Institutionen, die im Falle einer Scheidung beteiligt sind: vom Jugendamt über das Gericht bis hin zur Polizei. „Es gibt Familien, da wurde so heftig gestritten, dass es zum Polizeieinsatz kam.“ Ziel dahinter ist es, den Kindern die Angst vor ebenjenen Institutionen zu nehmen.

Das nächste Angebot für Kinder von sieben bis zehn Jahren startet am Montag, 26. August, in der Begegnungsstätte Reichelsiedlung, Eschenstraße 28 in Rheinberg. Anmeldung bei der Awo-Beratungsstelle für Paare und Familien, Innenwall 104 (Alte Kellnerei) in Rheinberg, Telefon 02843/959776, E-Mail bpf@awo-kv-wesel.de.

Die Verantwortlichen setzen jedoch auf Freiwilligkeit: Kein Kind darf zur Teilnahme gezwungen werden. „Auch beide Elternteile müssen das wollen“, ergänzt Boniek. Da sei längst nicht immer der Fall. Török: „Oft möchte jemand nicht das unterstützen, was der andere möchte.“ Es sei allerdings wichtig, sich die Bedürfnisse des Kindes vor Augen zu führen. „Wir versuchen, beide Eltern ins Boot zu holen. Nur dann können wir die Kinder gut unterstützen.“ Tatsächlich zielt das Awo-Angebot teils auch auf die Eltern ab: Für Väter und Mütter gibt es gibt jeweils eigene Elternabende.

Gisela Török ergänzt: „Wir versuchen, den Kindern gegenüber beide Eltern gleichwertig zu behandeln und zu signalisieren, dass es beide Eltern lieben darf, beide wichtig sind und dass beide Eltern das Kind lieben.“ Oft bezögen die Kinder die Trennung nämlich auf sich. „Manchmal denken sie, sie wären Schuld.“

Daher rät sie Eltern ganz allgemein, die Kinder aus ihrem Streit und ihren Problemen so gut es geht herauszuhalten. „Manche Themen sind nichts für Kinder“, findet auch Annette Boniek. Man müsse nicht jeden Aspekt der Trennung für das Kind transparent gestalten, genauso wenig wie man den jeweils anderen oder den neuen Partner schlecht reden müsse. „Schlimm für die Kinder ist es auch, wenn die Eltern sich noch nicht einmal freundlich guten Tag sagen können.“

Thomas Langer

Gisela Török (r.) und Annette Boniek (l.) begleiten die Kinder im Gruppenangebot. NN-Foto: T. Langer

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