Jeder Satz hat ein Geheimnis

KALKAR. „Romane zu schreiben ist ein bisschen wie schwimmen gehen im Meer“, sagt Jaap Robben …

„Irgendwann ist das Wasser tief genug.”

„Zuerst näherst du dich. Dann spürst du das Wasser – den Sand zwischen den Zehen. Langsam gehst du weiter. Du kannst noch nicht schwimmen. Das Wasser ist ja noch nicht tief genug. Also gehst du noch ein Stückchen weiter. Du gewöhnst dich an die Temperatur – läufst weiter … und irgendwann ist das Wasser dann tief genug. Dann schwimmst du los.“ Robben muss es wissen. Sein dritter Roman ist bei Dumont erschienen. 15 Bücher hat der Niederländer geschrieben und einige davon sind in ebenso viele Sprachen übersetzt worden.
Jaap Robben lebt mit seiner Familie in der Nähe von Kleve – seit zwölf Jahren. Zum Arbeiten fährt er nach Nimwegen. „Da habe ich ein Büro.“ Das Gefühl, zur Arbeit zu fahren, ist wichtig. ­Zwei bis drei Jahre schreibt er an einem Roman. Derzeit ist Robben viel unterwegs. Er stellt sein neues Buch vor: Lesereisen. Kontakt zum Publikum.

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Gute Übersetzer haben viele Fragen

Wenn einer seit zwölf Jahren in Deutschland lebt, übersetzt er dann seinen Roman selber? „Das würde nicht gehen. Ich spreche ganz gut, aber beim Schreiben wird es schwierig. Nein – meine Bücher werden von Übersetzern in die jeweilige Sprache übertragen. Es geht ja am Ende um Nuancen – Kleinigkeiten. Und die sind sehr wichtig.“
Wie gut ein Übersetzer sei, merke er unter anderem an der Liste der Fragen. „Manche haben seitenweise Fragen notiert.“ Es geht um die Sicherheit, den richtigen Ton zu treffen. „Sprache ist ja mehr als nur der Inhalt einer Geschichte. Es geht um den Klang und den Rhythmus eines Satzes. Das sind Elemente, die für mich sehr wichtig sind. Wenn ich schreibe, lese ich oft laut mit“, beschreibt Robben. „Jeder Satz hat ein Geheimnis. Das muss entdeckt werden.“

Vertrauenssache

Übersetzen, sagt Robben, sei Vertrauenssache. „Wenn ein Buch von mir in eine Sprache übersetzt wird, die ich überhaupt nicht kenne, dann muss ich mich darauf verlassen können, dass der Übersetzer so nahe wie möglich an meine Geschichte herankommt. Da geht es tatsächlich um großes Vertrauen, denn der Übersetzer hat es in der Hand.“

Den richtigen Ton treffen

Ein bisschen sei Übersetzung ja auch wie ein Hörbuch. „Da kommt ein Sprecher und es ist wahnsinnig wichtig, dass der – im wahrsten Sinne des Wortes – den richtigen Ton trifft.“
Ein Buch ist eine Art Partitur. Der Übersetzer ist der Interpret. Er muss sich mit dem Stil auskennen – mit dem Umfeld, in dem eine Geschichte spielt. Mit den Eigenarten und mit dem, was den einen Autor vom anderen unterscheidet. „Es gibt ja verschiedene Elemente, aus denen sich Sprache zusammensetzt. Wir hatten ja schon vom Klang gesprochen und vom Rhythmus. Natürlich ist da auch der Inhalt. Es gibt Bilder, es gibt einen charakteristischen Wortgebrauch. Das alles gehört zusammen und wenn am Ende ein Element nicht stimmt, gerät irgendwie alles aus dem Gleichgewicht.“

Bemerkenswerte Stimme

Sucht man nach Stimmen zum Thema Jaap Robben, findet man unter anderem einen Satz von Lize Spit: „Eine der bemerkenswertesten Stimmen in der niederländischen Literatur.“ Über den Autor schreibt der Dumont-Verlag: „Jaap Robben, geboren 1984, ist Dichter, Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Seit 2004 publiziert er Lyrik, Romane, Jugendbücher und Essays. Seine Werke wurden vielfach ausgezeichnet, die Romane verfilmt und in mittlerweile fünfzehn Sprachen übersetzt. Mit seinem Roman ‚Summer Brother‘ stand er auf der Longlist des International Booker Prize. Jaap Robben lebt in Deutschland.“
Zum Roman heißt es: „Kontur eines Lebens ist der Roman einer großen Liebe und ihres Scheiterns, die Geschichte einer unglaublich starken Frau, die darum kämpft, auf ihre Art zu leben.“

Gedicht für ein Denkmal

„Die Idee zum Roman entstand während der Zeit, als ich Stadtschreiber in Nimwegen war“, erinnert sich Robben. „Damals habe ich ein Gedicht über ein Denkmal geschrieben. Es ging um Kinder, die am Rand von Friedhöfen begraben werden mussten, weil sie nicht getauft waren. Später habe ich mal mit einer Frau gesprochen, deren Kind tot geboren wurde. Ihr Mann hat es ‚weggebracht‘ und nie gesagt, was passiert ist. Sie hat immer wieder gefragt und nie eine Antwort bekommen. Irgendwann starb ihr Mann und sie hat niemals erfahren, was mit dem Kind passiert ist.“ Eine Geschichte, bei der sich tiefe Trauer in den eigenen Kopf gräbt. Robben: „Ich habe oft solche Geschichten gehört und dachte zuerst: Darüber kannst du nicht schreiben. Du hast das nicht erlebt.“ Schreiben ist wie Schwimmen im Meer: Zuerst sieht man das Wasser, dann geht man hinein und schließlich schwimmt man … „Wenn ich mit dem Schreiben beginne, ist es oft erst einmal rummelig. Da entstehen Mosaiksteine. Allmählich entsteht dann die Geschichte.“

Stellvertretungserleber

Aufgabe des Dichters ist es, Worte zu finden. Es sind die Worte, die andere nicht haben. Schriftsteller sind Stellvertretungserleber. Sie holen Geschichten ins Leben – auch, wenn es um den Tod geht.
Am Donnerstag, 25. April, um 19.30 Uhr ist Jaap Robben zu Gast in der Bücherei St. Nicolai in Kalkar (Jan-Soest-Straße 12) und stellt seinen Roman „Kontur eines Lebens“ (Übersetzung: Birgit Erdmann) vor.

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